Von Swen Reiter

Trends in der Lkw-Branche, die wir 2024 im Blick haben sollten

Trends in der Lkw-Branche, die wir 2024 im Blick haben sollten

Je vernetzter unsere Welt wird, desto wichtiger wird auch eine reibungslose und zuverlässige Logistik. Nachhaltigkeit und Effizienz rücken dabei immer stärker in den Fokus. Diese neuen Anforderungen stellen unsere Branche vor eine ganze Reihe von Herausforderungen, eröffnen aber auch Möglichkeiten, die das Jahr 2024 und das restliche Jahrzehnt prägen werden. 

Einige der aktuellen Trendentwicklungen – wie Nachhaltigkeit und Elektrifizierung – werden die Lkw-Branche langfristig bestimmen und neue Wege eröffnen. Andere, z. B. Unterbrechungen der Lieferkette, werden die Voraussetzungen in der Logistik voraussichtlich komplexer machen, insbesondere für Aufbauhersteller. 

Ob positive oder negative Veränderungen: Es ist wichtig, für die Zukunft gerüstet zu sein. In diesem Artikel werde ich einige der wichtigsten Trends beschreiben, die meines Erachtens die Branche in diesem Jahr und längerfristig prägen werden. Hierbei stütze ich mich auf Insights von Branchenverbänden und Fachleuten.  

Ich hoffe, Ihnen hilfreiche Insights bieten zu können, in welche Richtung sich Ihr Geschäftsbereich mittelfristig entwickelt. 

Nachhaltigkeit und Elektrifizierung 

Auch wenn Sie nicht in der Lkw-Branche sind, haben Sie es sicherlich bereits bemerkt: Der Stellenwert von Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren immer höher geworden. Inzwischen verfügen die meisten großen Unternehmen über Nachhaltigkeitsleitlinien. Andere setzen sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele für die Zukunft. Auch Regierungen und Regulierungsbehörden versuchen Unternehmen verstärkt zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen – beispielsweise durch das von der EU vorgeschlagene Verbot neuer benzin- und dieselbetriebener Pkw und Transporter ab 2035 und die Emissionsvorschriften für schwere Nutzfahrzeuge, die aller Voraussicht nach folgen werden. Für die Akteure unserer Branche heißt das, dass sie sich schnell verändern müssen: indem sie ihre Lieferkette nachhaltiger gestalten und ihre Flotten elektrifizieren oder andere emissionsfreie Technologien wie Brennstoffzellen implementieren. Es gibt bereits Fortschritte – etablierte Lkw-Hersteller und Newcomer haben Lkw mit elektrischen oder wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen auf den Markt gebracht. Im September 2023 hat der schwedische Hersteller Scania sogar ein eigenes Batteriefertigungswerk eröffnet, um seine Ambitionen im Bereich Elektrifizierung umsetzen zu können. 

Eine so weitreichende Veränderung bringt natürlich praktische Herausforderungen mit sich. Der Jahresbericht 2022 des VDA (Verband der deutschen Automobilindustrie) macht den Umfang der Infrastruktur, die die Elektrifizierung des Straßenverkehrs flankieren muss, sehr deutlich: 

  • Bis 2030 werden in Deutschland mehr als eine Million Ladepunkte benötigt, um die Elektroautos, elektrischen betriebenen Transporter und Lkw, die voraussichtlich auf den Straßen unterwegs sein werden, versorgen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen 2.000 Ladepunkte pro Woche installiert werden. Zum Vergleich: heute werden pro Woche 300 bis 350 installiert, d. h. erheblich weniger. Deutschland und ganz Europa müssen deswegen mehr Tempo vorlegen, damit die Lkw auch in Zukunft weiter rollen.  
  • Ladepunkte müssen strategisch an wichtigen Verkehrsadern, wie z. B. Autobahnen, angeordnet werden, um den Fernlastverkehr zu unterstützen. 
  • Für Lkw-, Anhänger- und Aufbauhersteller bedeutet das, dass sie ihre Produktionsprozesse erheblich verändern und sogar ihre Belegschaft umschulen müssen, um ihr Know-how in der Elektrotechnik auszubauen. 

Der Übergang zu vollelektrifizierten Lkw ist natürlich nicht nur eine Aufgabe, die die Lkw-Branche betrifft. Der Verband der europäischen Automobilhersteller ACEA hat hierauf bereits im Oktober 2023 hingewiesen, als er davor warnte, dass die europäischen Emissionsziele ohne Investitionen in die Infrastruktur und die Kundennachfrage nicht zu erreichen sein werden. Die ACEA-Generaldirektorin Sigrid de Vries hat das Problem folgendermaßen formuliert: „Die ACEA-Mitglieder haben im erforderlichen Umfang investiert, und emissionsfreie Fahrzeuge stehen bereit. Es muss aber auch bei den Kunden das Vertrauen da sein, um Investitionen zu tätigen.“ 

Nachhaltigkeit wird in diesem Jahrzehnt von einem Schlagwort zu einem wichtigen unternehmerischen Faktor werden. In der Lkw-Branche könnte der Fortschritt allerdings durch infrastrukturelle Verzögerungen und Wachstumsschmerzen gebremst werden. 

Kreislauffähigkeit und wachsende Kreislaufwirtschaft 

Die Kreislauffähigkeit ist ein weiterer wichtiger Trend im Bereich der Nachhaltigkeit, für den es in der Lkw-Branche spannende Anwendungen gibt. In einer Kreislaufwirtschaft werden Produkte am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet, anstatt verschrottet und durch neu hergestellte Produkte ersetzt zu werden. So gehen wertvolle Materialien nicht einfach verloren, sondern können durch Prozesse wie Recycling, Aufarbeitung, Wiederverwendung oder Wiederaufbereitung ein zweites Leben erhalten. 

Durch die Fortschritte bei der Elektrifizierung und bei anderen emissionsfreien Antriebstechnologien werden die Emissionen, die während der Lebensdauer eines Lkw entstehen, deutlich reduziert. Um nachhaltiger zu werden, müssen die Hersteller ihren Fokus verstärkt auf vor- und nachgelagerte Verbesserungen legen – im Herstellungsprozess und am Ende der Nutzungsdauer eines Lkw. Genau an diesem Punkt kommt die Kreislauffähigkeit ins Spiel. 

Alle Branchen können kreislauffähiger werden. Die Infrastruktur und die Prozesse, die erforderlich sind, um die Wirtschaft wirklich zirkulär zu gestalten, werden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich immer ausgereifter werden.  

In der Lkw-Branche schafft die Kreislaufwirtschaft neue Möglichkeiten für Aufbauhersteller. Das dänische Logistikunternehmen DSV, das sich im Jahr 2023 zum Ziel gesetzt hat, die Lebensdauer von 1.100 Anhängern durch einen zirkulären Ansatz zu verdoppeln, ist hierfür ein perfektes Beispiel. In der Regel werden die Anhänger des Unternehmens am Ende ihrer fünfjährigen Lebensdauer an die Leasinggesellschaft oder den Hersteller zurückgegeben und durch neue ersetzt. In diesem Fall wurden die Anhänger überholt und in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt, um weitere fünf Jahre im Einsatz zu bleiben. Nach Angaben des an dem Projekt ebenfalls beteiligten niederländischen Leasingunternehmens TIP entstehen bei der Herstellung eines neuen Anhängers 18,6 Tonnen Kohlenstoff, verglichen mit nur 2,7 Tonnen bei der Wiederaufbereitung.  

Initiativen wie diese werden voraussichtlich zunehmen, da der Druck auf Unternehmen wächst, Nachhaltigkeit verstärkt in den gesamten Lebenszyklus eines Produkts einzubeziehen, und nicht nur während der Nutzungsdauer.  

Veränderungen in der Lieferkette 

Weltweite Probleme in den Lieferketten haben in den letzten Jahren viele verschiedene Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen. Die Lkw-Branche ist hierbei keine Ausnahme. Lkw-Hersteller, Aufbauhersteller und Flottenmanager haben mit großen Herausforderungen zu kämpfen, da wichtige Materialien immer teurer werden und schwieriger zu beschaffen sind. Lange und unvorhersehbare Vorlaufzeiten haben die langfristige Planung erschwert und zu gravierenden Ineffizienzen geführt. 

Für eine Reihe von Unternehmen in bestimmten Märkten sind die Aussichten weiterhin nicht zufriedenstellend. In einer Befragung von 46 Unternehmen, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) im August 2023 durchgeführt hat, gab mehr als ein Viertel an, derzeit mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert zu sein. Über die Hälfte der befragten Unternehmen machte den Anstieg der Einkaufspreise hierfür verantwortlich, wodurch die Durchführung von Aufträgen unwirtschaftlich wurde. Nahezu ein Drittel gab außerdem an, Lieferengpässe hätten dazu geführt, dass sie Kundenaufträge verschoben oder storniert hätten. 

Es gibt jedoch auch andere Zahlen, die auf eine Erholung hindeuten. Statistiken von ACEA haben gezeigt, dass Lkw-Neuzulassungen im ersten Halbjahr 2023 verglichen mit demselben Zeitraum im Jahr 2022 um 20 % zugenommen haben. Auch bei anderen Nutzfahrzeugtypen haben Neuzulassungen zugelegt. ACEA führte diese Entwicklung darauf zurück, dass sich die Situation in der Lieferkette verbessert hatte. 

Die schlimmsten Zeiten der Lieferkettenkrise mögen vorbei sein. Trotzdem weist einiges darauf hin, dass Unternehmen in unserer Branche, die in der Produktion und Konstruktion tätig sind, auch im Jahr 2024 und darüber hinaus mit Unsicherheiten rechnen müssen. 

Neue Fahrerassistenztechnologien und autonomes Fahren 

Dieser Trend liegt noch in etwas weiterer Ferne als die anderen. In diesem Jahr werden sich die Herausforderungen selbstfahrender Lkw noch nicht direkt für die Branche stellen. Im Vordergrund stehen stattdessen Fragen der Lieferkette und der Ladeinfrastruktur. Trotzdem ist die Entwicklung wichtig, denn sie wird sich auf die gesamte Arbeitsweise im Lkw-Bereich auswirken – von Logistikunternehmen und Lkw-Herstellern bis hin zu Aufbauherstellern und Fahrern. 

Autonomes Fahren ist eine Technologie, die in der Automobilindustrie seit Langem Fuß gefasst hat, auch wenn vollautonomes Fahren noch in weiter Ferne liegt. In der Nutzfahrzeug- und Logistikbranche geht diese Entwicklung aufgrund technischer Herausforderungen langsamer voran. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass Forschung und Entwicklung bald Fahrt aufnehmen. Der VDA arbeitet derzeit zusammen mit seinem Forschungszweig FAT an einem Projekt, das darauf abzielt, einige der Probleme anzugehen, die fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen nach wie vor im Wege stehen: 

  • Weitere Optimierung der Schnittstelle zwischen LKW und Anhänger – Eine optimale Unterstützung des Fahrers und die Steigerung der betrieblichen Effizienz erfordern die Übertragung großer Mengen elektronischer Daten zwischen Lkw und Anhänger: von Informationen zu Position, Kräften und Temperaturen bis hin zu Video-Feeds von Bordkameras. Die bisherigen Standardschnittstellen verfügen nicht über die erforderliche Bandbreite, um die zu übertragenden Datenmengen bewältigen zu können. Deswegen muss ein neuer Standard entwickelt werden, der der gesamten Branche zur Verfügung steht und komplexere Netzwerke ermöglicht. Da die Marktnachfrage nach einer stärkeren Digitalisierung wächst, ist davon auszugehen, dass Lösungen wie diese in künftige Anhänger- und Lkw-Modelle integriert werden. 
  • Vernetzte Anhänger für lange Fahrzeuge – Lkw sind heute länger als früher. Der Druck auf die Logistiknetze wächst weiter. Die steigende Nachfrage nach größerer Effizienz kann sie dementsprechend noch länger machen. Heutige Anschlussstandards sind jedoch nur für Kabel mit einer Länge von bis zu 15 Metern zuverlässig verwendbar. Manche Anwendungen können Kabellängen von bis zu 40 Metern erfordern. Die Hardware muss somit in der Lage sein, diese Anforderungen zu erfüllen. Solche Hardware gibt es heute zwar bereits, sie wird aber nur in kleinen Stückzahlen hergestellt und ist dementsprechend teuer. Entscheidend ist deshalb eine Zusammenarbeit zwischen Fachverbänden und Chipherstellern, um sicherzustellen, dass die Lkw-Branche bei der fortschreitenden Digitalisierung nicht den Anschluss verliert. 
  • Sicherheit gewährleisten – Gewicht, Größe und Länge von Schwerlastfahrzeugen machen die Entwicklung sicherer und effektiver Fahrerassistenzsysteme zu einer großen Herausforderung. Die Assistenzmaßnahmen, die gefragt sind, sind viele Autofahrer jedoch bereits gewohnt, etwa automatisierter Spurwechsel oder automatisiertes Einparken. Solche Systeme können Lkw-Fahrer entlasten und die Effizienz steigern, ohne dabei auf die Kosten der Sicherheit zu gehen. Mit fortschreitender Forschung und Entwicklung werden Funktionen wie diese immer häufiger vorkommen. Hieraus können sich neue Anforderungen an die Aufbauhersteller ergeben, die erforderlichen Sensoren und Kabel standardmäßig zu integrieren. 

Umgang mit künftigen Unwägsamkeiten 

Neue Technologien und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit schaffen neue Chancen – globale Herausforderungen werden sich jedoch auch in der näheren Zukunft auf das Geschäft auswirken. Die Unternehmen in unserer Branche müssen flexibel sein, um diesen Herausforderungen begegnen zu können, sei es durch die Unterstützung von Branchenverbänden oder, indem sie die Effizienz steigern und die Gesamtbetriebskosten durch neue Gerätelösungen senken. Indem Sie Kosten senken und Ineffizienzen in für Sie kontrollierbaren Bereichen wie Produktion, Service und Support verringern, können Sie die negativen Auswirkungen externer Faktoren zumindest erheblich abmildern. 


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Swen Reiter
Ein versierter Fachmann, der von einer erfolgreichen Karriere in der Unternehmensberatung zu seiner derzeitigen Rolle als Markenmanager bei Ringfeder übergegangen ist.
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